08 Februar 2011
Zu viel Arsch und Titten
Ich war gestern Abend auf der Geburtstagsparty von AHN und seinem Freund, dem Profi. Es war ein ausgewählter Kreis, fast alles Leute, die mit Büchern und Schreiben zu tun haben. Wer nicht selber schreibt, der bewundert die, die es tun. Das hat Alban jedenfalls angedeutet. Ich war nicht lange dort. Ich war und bin noch immer krank, Fieber. Ich bin ein empfindliches Wesen und kann nur bei 37,2 Grad Körpertemperatur existieren. Ich bin dem Gastgeber geradewegs in die Arme gelaufen. Ich wollte mich nicht in den Kreis hinzu bitten lassen, sondern gleich wieder gehen. Ich war krank. Ich kann lamentieren nicht ausstehen. Bei dieser Gelegenheit hat ANH mich dem Norbert Schlinkert vorgestellt. Von dort wo wir drei für kaum mehr als zehn Minuten standen, hatte ich einen ausgezeichneten Blick in den ausgeleuchteten Bereich unter dem Bild des Massenmörders Mao. Was Massenmörder betrifft, habe ich ein nicht minder feines Empfinden. In der Runde, mittiger konnte man kaum sitzen, saß die Freundin von ANH. Die Geliebte. Eine Geliebte. Die fieberte ebenfalls, aber anders als ich. Sie war äußerst aufreizend gekleidet. Sie wollte gut aussehen, sexy vor allem. Sie wollte ihre Brüste zeigen. Sie wollte ihr Körper sein.
Ich habe nicht immer, aber bisweilen Schwierigkeiten mit Menschen, die ihre Sexualität deutlich in den Vordergrund rücken. Weil dadurch anderes in den Hintergrund gerückt wird. Auf das, was man in den Vordergrund rückt, hat man einen Einfluss. Auf das andere, was dadurch in den Hintergrund gerückt wird, nicht. Wenn die Sexualität in den Vordergrund gerückt wird, wird in der Regel alles andere in den Hintergrund gerückt. Ich empfinde Verführung und Andeutung als explizit weiblich, die Reaktion darauf als explizit männlich. Zu viel Busen, Korsage und BH, zu viel Absatz, Bein und Fessel, zu viel Arsch und Titten: das ist nicht Andeutung. Das ist sehr viel mehr.
Gegen diese starre und strenge Einteilung ließe sich vieles einwenden: dass die Grenze, wo Andeutung aufhört und das Angedeutete anfängt, natürlich fließend ist. Mal fließt es gemächlicher, mal reißender, mal stehen die Wasser, mal fallen sie. Auch muss nicht notwendig zwischen männlichen und weiblichen Verhaltens- und Erscheinungsweisen unterschieden werden. Wenn Frauen jedoch als Sexualobjekte der Männer auftreten, sieht das für mich geradezu willenlos aus. Und das finde ich unerotisch. Bei Männern wie bei Frauen. Das sieht aus, als geschähe es, das Sexuelle, nicht, weil die Betroffenen es wollen, sondern weil der Trieb es will. Sie machen Sex, weil sie triebhaft sind. Wären sie es nicht, getrieben nämlich, würden sie auch keinen Sex haben wollen. Anders ausgedrückt: Sie machen das nicht, weil sie Lust drauf haben.
Das ist ein Sex, bei dem es nicht um den anderen geht. Es geht nur noch um einen selbst. Und der Sex, der sich um das eigene Selbst dreht und nicht um das Selbst des anderen: vor dem habe ich Angst. Der etwas schamvoller agierende gefällt mir besser. Auch da fallen irgendwann die Hemmungen. Hemmungen sind ja da, um zu fallen (wir hatten dieses Thema hier schon bei mechanischen Uhren). Ich mag es, wenn Menschen ihre Sexualität etwas verhaltener zeigen. Weil ich den Anlauf mag, das Andeutende und das Mögliche. Ficken kann jeder. Brüllen kann jeder, Raunen und Flüstern nicht.
Ich bin krank, ich fiebere, ich friere. Ich kann lamentieren nicht ausstehen. Verdammter Kapitalismus.
Wenn auch nicht jede Zeile gleich erhellt:
geschehn aus unablässigem Bestreben.
Aléa hat’s hierher gestellt,
und zwar soeben.
Geschrieben: Februar 8th, 2011 unter Allzupersönliches, Confusion sexuelle, mittel
Kommentar von ANH
Datum/Uhrzeit 8. Februar 2011 um 22:56
“Sie machen Sex, weil sie triebhaft sind.”
Ja. Und ich finde triebhafte Frauen hinreißend, ich finde den Trieb hinreißend. Ich kann es auch nicht schlimm finden, daß es – auch – der Frau um ihren eigenen Genuß geht. Im Gegenteil, erst dann kann ich es auch um meinen eigenen Genuß gehen lassen. Sexualität ist keine Angelegenheit für ein soziales Genesungswerk.
Bei allem, was Du hier schriebst, Aléa, bin ich nicht nur irrtiert, weil Frau v. Samarkand – sie nämlich war es – zwar durchaus lockend, vielleicht auch aufreizend, auf keinen Fall aber ordinär gekleidet war; sondern sie liebt es, offenbar, mit der “den” Frauen im Patriarchat zugeformten Rollenmustern zu spielen. Sie spielt ausgezeichnet und ist eben nicht nur nebenbei gleichzeitig eine ziemlich gebildete Intellektuelle. Weshalb sie sehr gut beißen kann – in jederlei Sinn des Wortes, auch nämlich metaphorisch. Sondern was mich eigentlich verwundert, ist, daß Olga doch gar nicht a n d e r s ist… jaja, Deine Freundin, mit der Du lebst und die ich ja nun kennenlernen durfte (wir haben uns sehr gut verstanden, auch wenn wir uns, wie Du weißt, permanent gekabbelt haben). Jedenfalls könnten sie und Frau v. Samarkand Schwestern im Geiste und Leibe sein, wäre nicht diese von der Figur eher schmal (woher nahmst Du bloß das mit den Titten? – bloß weil sie einen wundervollen BH trug?), indes Olga der reizvolle Typ der Belluci ist.
In einer Zeit zunehmenden Neu-Biedermeiers wäre ich, gäbe es ihn, für eine Erscheinung wie die der Samarkandin dem Herrgott auf das allertiefste dankbar – und würde mich verneigen vor ihm. Und zwar in großer Demut: beglückt.