08 April 2010
Die Königin ist gewillt, sich zu erheben
Den gestrigen Abend habe ich in Gesellschaft eines charmanten Herrn verbracht, zu dem dann noch ein zweiter, nicht minder charmanter Herr hinzugestoßen ist. Und ich müsste mich schon sehr täuschen, wenn sich da nicht für einen Moment die Hand einer der Herren auf meinem Knie wiedergefunden hat. Manchmal stelle ich mir vor, wie es wäre ein Mann zu sein. In vielen Situationen würde ich wahrscheinlich ganz anders reagieren als ich es jetzt tue. Anders reagieren kann mitunter sehr vorteilhaft sein. Muss es aber nicht. Bei allem, was mit Sexualität zu tun hat, und nach meiner Einschätzung dürfte das recht viel sein, möchte ich doch lieber eine Frau sein. Ich möchte meine Hand nicht auf andere Leute Knien ablegen müssen. Aber auf dem eigenen Knie eine solche Hand zu finden, das kann sehr angenehm sein.
Heute Morgen sehe ich, dass in der Nacht LaMéreDeMagritte einen neuen Blumenstrauß hingestellt hat. Ich sehe auch den Kommentar eines Unbekannten, der mich als „Königin der neuen jungen deutschen literatur“ bezeichnet. Ich finde das sehr überzeugend, möchte aber darauf hinweisen, dass mich in diesem Land und in meinem Reich kaum jemand kennt. Die Menge der Untertanen dürfte begrenzt sein. Ich bin die unbekannteste Königin in einem Reich, in dem es vor Königen und Königinnen wahrscheinlich nur so wimmelt. Neben dem Kompliment fand sich da noch eine kleine Beleidigung. Beleidigung war leider auch der Tenor eines weiteren Kommentars, den ich gelöscht habe. Das Regieren in meinem Reich macht bisweilen Mühe. Es besteht nicht nur aus den angenehmen Seiten, ich kann die Kommentare und Einmischungen und Invektiven anderer nicht einfach nur beobachten und mich am Spiel der freien Kräfte erfreuen. Ich muss eingreifen und korrigieren und richtig stellen.
Nachdem ich noch vom Bett aus zwischen Recht und Unrecht unterschieden habe, nachdem ich die Ordnung der Dinge in meinem Reich wiederhergestellt und meinen Tag mit einem salomonischen Urteil begonnen habe, nachdem mein Blick an meinem Bein hinabgeglitten ist und ich mir einen kurzen Moment das wahrhaft königliche Spiel meiner Zehen angeschaut habe, ist es nun soweit: Die Königin ist gewillt, sich zu erheben. Man reiche mir meine Pantoffeln.
Wenn auch nicht jede Zeile gleich erhellt:
geschehn aus unablässigem Bestreben.
Aléa hat’s hierher gestellt,
und zwar soeben.
Geschrieben: April 8th, 2010 unter Allzupersönliches, mittel, Paralipomena
Kommentar von ANH
Datum/Uhrzeit 8. April 2010 um 08:46
Hätte ich solche hiergehabt, ich hätte es gerne getan.