01 Mai 2009
Anfang, vor allem Anfang
Der Anfang ist nicht das Erste. Es gibt etwas, das vor jedem Anfang liegt. Die Frage: wie anfangen?Wie hat das Universum, wie hat Gott angefangen?
Am besten fängt man einfach an, ohne lange nachzudenken. Irgendwie haut es dann schon hin. Das Universum hat mit dem Urknall angefangen und die Menschheit mit Adam
und Eva. Meine Hochachtung an die Kollegen vom physikalischen und theologischen Institut, beides sind gelungene Anfänge. Irgendwie muss jede Geschichte losgehen. Es muss
losgetreten werden: das Vergehen von Zeit. Denn nur wenn Zeit vergeht, geschieht etwas. Oder umgekehrt.
Die Vertreibung aus dem Paradies ist zu verstehen als das erste Vergehen, im doppelten Sinne des Wortes, im temporären wie im moralischen. Das Erkennen der Sündigkeit, das Erkennen der eigenen Nacktheit, aber auch jenes Erkennen, dass das Elysium, der Garten Eden, das Unreflektierte und das Nichtwissen bereits hinter einem liegen, sind Vergehen. In dem Moment, da man erkennt, dass etwas hinter einem liegt, entsteht Vergangenheit. Erkenntnis und Reflektion: Das sind die eigentlichen Vergehen des modernen Menschen.
Auch die erste Geschichte musste irgendwie anfangen. Vielmehr die Geschichte vom Ersten. Die Geschichte vom Anfang ist schon nicht mehr der Anfang selbst. Das Erste ist bereits vorüber, wenn es erzählt werden kann. Das ist unser Schicksal und das unseres Bewusstseins: Die Würfel sind bereits gefallen, wenn wir hinzukommen. Aber das ist nicht weiter
schlimm. Weil wir erneut anfangen müssen. Immer wieder müssen wir den Würfel in die Hand nehmen.
Meine Webpräsenz besteht aus sechs einzelnen Seiten, den sechs Seiten oder Möglichkeiten eines Würfels. ›Gott würfelt nicht‹, hat Einstein behauptet. Ein schönes Bild dafür, dass im Universum nichts zufällig geschieht. Die Sentenz Einsteins sagt jedoch nichts darüber aus, warum Gott nicht würfelt: weil er nämlich lieber Karten spielt. Die Aleatorik – das Zufällige und Willkürliche – scheint keine Methode von Gottes Gnaden zu sein. Und schon gar keine divinatorische. Die Aleatorik, die sich des klassischen Kubus bedient, also ein regelmäßiges Hexaeder ist, hat nämlich nur sechs Flächen. Da ist kein Platz für einen Sonntag.
Bekanntlich brauchte Gott am siebten Tag vor allem Ruhe. Obwohl man ihn durchaus im Verdacht haben könnte, schon an den Tagen zuvor in Pausenlaune gewesen zu sein: Wenn
man sich die Welt anschaut, dann muss man zugestehen, dass ein genialer Plan anders aussieht. Was manche hochtrabend ›Die Schöpfung‹ nennen, macht doch einen recht zusammengewürfelten Eindruck. Vielleicht kommt die Aleatorik ja doch noch zu ihrem Recht.
Der erste Eintrag in diesem Blog: mein Anfang. Ein geradezu göttliches Gefühl. Mir wird’s, zugegeben, ein wenig schwindelig. Gott hat wahrscheinlich auch geschwindelt an seinem Anfang. Warum sollte ich also die Wahrheit sagen?
Wenn auch nicht jede Zeile gleich erhellt:
geschehn aus unablässigem Bestreben.
Aléa hat’s hierher gestellt,
und zwar soeben
Geschrieben: Mai 1st, 2009 unter lang, Paralipomena, Worte, nichts als Worte